Quellennachweis:

Staatsarchiv Dresden Rep. VIII, los, B-Sekt. II
N° 191, voi II,
Amt Grünhain 1846 - 1850 - 1862


Chronik Sehma
- Handel und Gewerbe -
Abschrift: Kurt Riegel, 23.02.1977



Branntweinstreit wegen Ausschenken des Selbigen zur Errichtung eines Lokals

Herr Carl Wilhelm Schmiedel besaß im Hause Karlsbader Straße N° 24 einen Materialwarenladen und eine Gastwirtschaft ( späterer Besitzer Herr Gustav Weigel ).

Er hatte 1846 um Verkauf für Schnittwaren in seinem Laden nachgesucht, war ihm aber abgelehnt worden.

1849 hat er dann nachgesucht, um Branntwein in seinem Laden und Gasthaus ausschenken zu dürfen.


Eingabe

     „Als Materialwarenhändler darf ich ja schon Branntwein verkaufen, aber ein Verkauf in Gläsern von 6 - 3 pf herab im Haus und den Verkauf unter einer Dresdner Kanne in beliebigen Quantitäten außer dem Hause kann ich nicht befriedigen. Und doch wünschen meine Kunden, namentlich in der kälteren Jahreszeit, sehr oft ein Glas Schnaps. In unserer Gemeinde, die bis 1200 Seelen zählt, ist nur eine einzige Branntweinschenk-Gerechtigkeit vorhanden, die auf dem Erbgerichtsgasthofe ruht. Aber auch dessen Konzession zum Branntweinausschank ist nicht etwa unbeschränkt, da er diesen Handel weder im großen noch im kleinen Quantitäten außer dem Hause betreiben darf.

     Deshalb sind die Bewohner unseres Ortes bei einem schnellen Bedarf von Branntwein in eine üble Lage versetzt.

     Und sollten sie den Schnaps dennoch im Erbgericht erhalten, so geschieht das unbefugterweise und sie müssen dann, weil keine Konkurenz weiter im Dorf ist, teuer genug bezahlen. So sind sie gezwungen in anderen Orten zugehen, etwa nach Cunersdorf oder Cranzahl. Die Errichtung einer Schnapsverkaufstelle und Schankstelle ist also für Sehma zu einer unaufschiebbaren Angelegenheit geworden. Mein Haus eignet sich auch sehr gut dazu. Es liegt nahe der Straße nach Wiesenthal und es ist ziemlich geräumlich. Hier würden sich die Leute, die einkehren, entschieden wohler fühlen, wohler wahrscheinlich als im Erbgerichtsgasthof, wo alles auf einem größeren Fuß eingerichtet ist, sodaß sich mancher Mann aus einfachen Kreisen geniert, hier einzukehren, und wo er auch alles teuer bezahlen muß, auch den Branntwein. Entschieden würde es eine größere Erleichterung für unsere Einwohner bedeuten, wenn mein Konzessionsgesuch genehmigt würde.“


Der Gemeinderat steht voll und ganz auf Schmiedels Seite und befürwortet das Gesuch.

Aber der Erbrichter Ahnert entkräftigt und wiederlegt Schmiedels Argumente wie folgt:


  • Die Städte liegen alle sehr nahe, wo dazu noch alles billiger ist.
  • Schmiedels Laden ist nicht lebhaft, sondern nur klein.
  • Wenn Reisende kommen, warum kommen sie nicht ins Erbgericht es sind nur 367 Schritte von Schmiedel bis zum Erbgericht.
  • Das Erbgericht ist nicht auf größeren Fuß eingerichtet. Schön und ordentlich muß alles sein.
  • Mein Recht zum Schnapsverkauf wird mir niemand nehmen können, am allerwenigsten Schmiedel. Der Erbgerichtshof ist das allerälteste Haus in Sehma. Es hat von seiner Entstehung mit Schnaps gehandelt und Schnaps geschenkt.Das beweisen Urkunden.
  • Schon vor 4 Jahren wurde von dem Gemeinderat für volle Gasthofsgerechtigkeit eines anderen Lokals nachgesucht.
         Die Genehmigung wurde vom Amtshauptmann gänzlich abgelehnt, da Räumlichkeiten für alle Volksklassen hinlänglich vorhanden sind.
         Für eine zweite Gerechtsame zum Schnapsschank liegt also kein Bedürfnis vor.
    Aber ich habe nicht bloß als Inhaber des Erbgerichtsgasthofes hier ein Recht zu sprechen, sondern auch als Ortsrichter.
  • Das Schmiedelsche Haus ist nicht nur nicht geräumlich, wie der Gesuchsteller angibt, sondern überhaupt nicht passend für diesen Zweck. Es ist von Grund aus und durchaus von Holz. Stall und Scheune und alles befindet sich dort unter einem Dach, so daß der Stall von der Stubentür aus, nicht 3 Schritte entfernt ist, wo dann gleich die Scheune wieder bloß durch eine einfache Bretterwand ist. Alles ist so feuergefährlich.
         Ich wundere mich, daß sich einige Ratsmitglieder günstig für Schmiedels Plan aussprechen konnten.
         Die ganze Lokalität ist nicht im geringsten zu einer Schnapsschänke passend.
  • Das gilt aber nicht nur in politischer, sondern auch in moralischer Beziehung. Wir haben in Sehma nicht einen Einzigen der dem Trunke ergeben wäre. Wenn wir aber eine zweite Schnapsschänke bekämen, dann könnte das leicht anders werden.

unterzeichnet Ahnert
Inhaber des Erbgerichts und
Erbrichter


Auf dieses Schreiben von Ahnert fand eine Lokalbesichtigung durch Albert Weller, vereidigter Protokollant und Archivar beim Amte Grünhain, statt. Dieser stand auf Seiten Ahnerts und bestätigte die Wahrheit des Schreibens, da alles aus Holz und auch Strohdach vorhanden sei.

Die Kreisdirektion Zwickau, an welcher der Bericht gesandt wurde, gab bekannt.

„Die Kreisdirektion ( von Watzdorf ) trägt Bedenken, dem Gesuche Schmiedels um Konzession zur Ausübung des Branntweinschenkens in beliebigen Quantitäten stattzugeben, da diesem Gesuche die Vorschrift § 136 der Armen-Ordnung entgegensteht. Demgemäß ist der Bittsteller mit seinem Gesuche abzuweisen.“

Nach dem Mißerfolg nahm der Advokat Heinrich Theodor Koch in Buchholz die Angelegenheit in die Hände.      Neue Schreiben wurden losgelassen, am 11. April 1850 dieses:

     „Der Erbgerichtsgasthof werde ja vorzugsweise von den Bewohner der nahegelegenen Städte besucht, und zwar sowohl an Wochentagen wie auch namentlich sonn- und festtags.

     Auch sei der Gasthof so eingerichtet, daß die Dorfbewohner dort nicht die Unterhaltung finden, welche sie vermöge ihres Standes und ihrer Verhältnisse suchen. Sie gehen deshalb nur selten dahin, nur notgedrungen einmal. Meist gehen sie nach Cranzahl oder Cunersdorf. In einem so bedeutenden Dorf wie Sehma ist die Errichtung einer zweiten Schankstätte neben dem konzessionierten Gasthofe eine gebieterische Notwendigkeit.

     Dem Erbrichter Ahnert war übrigens an dem Besuche der Dörfler in seiner Gaststätte wenig gelegen. Viel wohler würden sich die Dorfleute bei mir fühlen. Ich habe drei Stuben, von dessen ich zwei zur Verfügung meiner Gäste, halten könnte.

     Zuletzt möchte ich noch auf meine Lage als Familienvater hinweisen. Ich habe 6 Kinder und möchte mir aus diesem Grunde noch einige Nahrung verschaffen.“

Zu diesen Begründungen Schmiedels nahm nun auch der Gemeindevorstand nochmals das Wort.     Er führte aus:


•Es sei doch schon in diesem Haus die Konzession einmal gewesen, allerdings sei sie eingegangen. Deshalb werde erneut angesucht. Nur sei es jetzt der Sohn vom Wilhelm Schmiedel.
•Im Erbgericht ist tatsächlich alles nur auf die Städter eingestellt. Unsere Einwohnerschaft wünscht aber noch eine zweite Lokalschänke, wo sie bei einer Flasche Bier oder einem Glas Branntwein beisammen sitzen können, zur gesellschaftlichen Unterhaltung, dann brauchen sie nicht außer Orts zu gehen.
•Bei verschiedenen Vorfällen, z. B. Kindtaufe, Trauung, Leichen u.s.w. waren oft die Leute genötigt, den Branntwein wegen zu hohen Preis aus der Stadt zu beziehen, was alles anders wird, wenn wir noch eine zweite Schankstätte haben.

Unterschrieben ist diese Auslassung vom Gemeinderat:

Chr. Gotthold Epperlein,  Gemeindevorstand
Karl August Oeser
Gottlieb Schubert
Gotthilf Süß
Gottfried Weigel
Traugott Meyer
August Meyer
Gottlieb Hecht
Fiedrich August Hecht


In seinem Bericht an die Kreisdirektion erstattet der Beauftragte und Bearbeiter, Hunger vom Justizamt, Meldung in dem Sinne:


„Der Gasthof zum Erbgericht ist ziemlich großartig eingerichtet und für die Dorfbewohner zum Besuch wenig einladend und geeignet.“


Die Kreisdirektion fordert nun schließlich noch ein Gutachten der Bezirkshauptmannschaft ein, das sich für ablehnende Antwort enschied.

Am Ende entschied sie so:


„Die Lage des Schmiedelschen Grundstückes in unmittelbarer Nähe des Erbgerichtes kann für den in Frage stehenden Zwecks nicht als geeignet angesehen werden. Das Gesuch ist also abzuweisen, und es ist
Obsicht
zu führen, das Schmiedel nicht unbefugterweise dennoch ausübt.“


Im Jahre 1862 wird Schmiedel dann endlich als Schankwirtschaftsbesitzer aufgeführt.


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