Er holte den Himmel auf Erden

von Edith Drechsler, geb. Meier



August 2014

Schon seit Jahrtausenden interessieren sich Menschen für die Sterne am Nachthimmel. Ich kenne einen Erzgebirger, der von Kind an oft abends ins Freie ging, nach oben schaute und sich beim Anblick des Nachthimmels begeisterte; der außerdem viele Stunden auf dem Dachboden seines Elternhauses verbrachte, um von dort aus die Sterne zu beobachten. Dazu benutzte er ein Fernrohr, das er sich selbst gebastelt hatte. Es bestand aus einem zwei Meter langen Papprohr, auf dem vorn ein Brillenglas saß und in dem eine Lupe als Okular diente. Es funktionierte. Die Sterne kamen näher. Die Nachbarn hielten das Gerät zuerst für ein Kanonenrohr, das aus dem Dachboden ragte.


Dieser Erzgebirger heißt Ludwig Meier, wurde 1933 in Sehma geboren und legte 1952 an der Anton-Günther-Schule in Annaberg das Abitur ab. Nach einem Mathematikstudium in Leipzig machte er sein Hobby zum Beruf und ging zu ZEISS nach Jena. Von 1958 bis zum Ende seiner beruflichen Tätigkeit 1998 arbeitete er dort auf dem Gebiet des Planetariumbaus. Das Kombinat entwickelte, baute und verkaufte unter anderem Planetarien, die weltweit höchst begehrt waren, Planetarien mit Kuppeln, die den Nachthimmel zeigten.


Im Entwicklungsbereich des Astro Geschäftsfeldes gehörte Dr. Ludwig Meier zu den Forschern, welche die Technik der Planetarien immer weiter verbesserten und die außerdem den Konzern über die politische Wende retteten. Die Geschäftsverbindungen von ZEISS Jena waren schon zu DDR-Zeiten weltweit und ermöglichten Dr. Ludwig Meier Reisen ins Ausland. Seine Präsens war gefragt, wenn wieder ein Planetarium verkauft war, eingerichtet werden musste und um die Mitarbeiter am Planetarium in die Bedienung einzuweisen.


Seine Forschungstätigkeit galt speziell der Projektion des Sternhimmels im Planetarium, insbesondere der Steigerung der Helligkeit der Sterne. Während dazu weltweit die Erhöhung der Lampenleistung verwendet wurde, war bei Zeiss erstmals eine wesentliche Steigerung durch den Einsatz von Faserprojektoren erreicht worden. Neben den Sternen gibt es eine Vielzahl weiterer Funktionen, die über Diaprojektoren am Gerät dargestellt werden. Dabei muss das Problem der unterschiedlichen Bildflächen überwunden werden. Das Diabild ist eben, durfte aber an der gekrümmten Kuppel nicht verzerrt werden. Das konnte erreicht werden, indem die benötigte Korrektur bereits im Bildinhalt der Dias erfasst wurde. Dazu bedurfte es mathematischer Fachkenntnisse, über die er verfügte. Das gilt auch für die Algorithmen für die Gerätesteuerung. Bei Publikationen waren es neben Fachartikeln auch populärwissenschaftliche Veröffentlichungen. 1992 erschien sein Buch „Der Himmel auf Erden”, das einen Überblick über die weltweite geschichtliche Entwicklung der Projektoren bei den Planetarien gibt.


Für mich als Laien ist die Leistung von Dr. Ludwig Meier außergewöhnlich und doch kann ich sie nicht einschätzen. Aber Fachkollegen wissen um den Wert seiner Forschungsergebnisse auch heute noch, nachdem er schon seit 1998 in Ruhestand ist. So erhielt Dr. Ludwig Meier im vergangenen Juli die höchste Auszeichnung, die es weltweit auf dem Gebiet der technischen Entwicklung von Planetarien gibt, den „IPS Technology and Innovation Award”. Dieser Preis wurde erst zweimal vergeben, einmal 2008 und einmal 2010. Im Juli 2014 wurde er von der International Planetarium Society im Rahmen ihrer Tagung in Peking Dr. Ludwig Meier zuerkannt. Aus gesundheitlichen Gründen konnte der nun 81-Jährige die Reise nach China nicht antreten. Doch die Gesellschaft Deutschsprachiger Planetarien organisierte im Jenaer Planetarium eine Nachfeier, bei der ihm der Preis übergeben wurde.


Der Ort war für den Ausgezeichneten besonders bewegend, hat er doch dort in seiner Freizeit über Jahre bei der Führung der Besucher mitgewirkt. Ich selbst erlebte ihn mit meinen Klassen zweimal bei Besuchen dieses Planetariums, und wir wurden von den Bildern des Sternhimmels an der Kuppel, die er eindrucksvoll kommentierte, fasziniert. Für Sehma, wo er geboren wurde und seine Kindheit und Jugend verbrachte, ist seine hohe Auszeichnung eine besondere Ehre.


Ich will mit diesem Beitrag auch meinen Stolz auf meinen ehemaligen Schulfreund ausdrücken, mit dem ich wegen der damaligen schlechten Fahrverbindungen viele Male zwischen 1948 und 1951 von Sehma nach Annaberg in die Schule gelaufen bin. Damals konnte ich nicht ahnen, was er für eine weltweite Bedeutung erlangen würde.


Ich bin voller Hochachtung.
Edith Drechsler


eine Zuschrift meiner geschätzten Kollegin

bearbeitet von pks