Ansehen und Würde eines Sehmaers


von Peter Klaus Süß

„Als der fürchterliche 2.Weltkrieg vorbei war, als die durch die Nazis gefangen gehaltenen, zur Arbeit gezwungenen Russen in Sehma plötzlich frei waren, als sich die angestaute Ohnmacht in Wut wandelte, geschah auch in Sehma manch scheußlicher Übergriff ..., was nicht vergessen ist, aber hier nicht beschrieben wird, sondern wir uns in diese Zeit begeben wollen.”


In dieser Zeit, in der jeder froh war nicht mehr in den Luftschutzkeller flüchten zu müssen, wurde so manchem klar, daß sich die kommenden Zeiten sehr ändern würden.


In dieser Zeit, in der nun rote Sehmaer an die Öffentlichkeit traten, in der sie die Geschicke des Ortes in die Hand nahmen, notwendige und unbedarfte Entscheidungen fällten.


In dieser Zeit, als man die Großgrundbesitzer und Junker enteignete und die Kriegsverbrecher verurteilte, tat man auch Unschuldigen manch Unrecht an.


„Als man nun Küttner enteignete, ihn als Nazi- und Kriegsverbrecher hinstellte, waren besonders meine Großeltern erbost”.

„Sie, die das Werden des Küttnerwerkes stets mit lebten, deren Kinder alle in diesem Werke lernten und groß wurden”.

„Sie, die die Menschlichkeit Küttners kannten, und die von der nicht glücklichen Einstellung zu den herrschenden Gewalten ahnten”.

„Sie waren es, die mir später vieles aus jenen Tagen erzählten, von den vielen schönen Erlebnissen, den Spenden und Wohltaten dieses aufrechten Mannes, der so viel für die hier lebenden Menschen getan”.


Als mir dann später, bei der Vorbereitung der 600-jahrfeier, durch die Chronisten Lampel und Hessel einige Unterlagen zur Einsicht gelangten, die Küttner betrafen, das Lesbare aber nicht dem entsprach, was man zu wissen glauben sollte, reifte der Gedanke sich damit ingendwann zu beschäftigen.


Gegen Ende der 1980er Jahre, als ich mich mit Informatik zu befassen begann, die Ahnenforschung mich reizte, das Verschwinden einzelner Geschäfte, Handwerksbetriebe, auch Gebäude zu verzeichnen war, womit plötzlich Lücken auch im Gedächtnis der Menschen auftraten, reifte der Gedanke gegen das Vergessen örtlicher Geschehnisse etwas zu schaffen.

Nun tauchte auch er wieder auf, der Gedanke an Küttner, jenes was mir die Großeltern dazu vermittelten, jene vermutete Unrichtigkeit die man ihm nachsagte, und ich begann mich darein zu vertiefen.

In den Unterlagen Friedrich Mahns, Altchronist unseres Ortes und Freund dieses Mannes, ergab sich alsbald ein ganz anderes Bild „Hugo Küttners”, als es nach dem Kriege von den neuen Amtsträgern vermittelt wurde.

Nun stellte sich der wahre Mensch „Hugo Richard Küttner” dar, der in Opposition zur den Machthabern des dritten Reiches stand, der von den Nazis in Schutzhaft genommen wurde, dem durch die Nazis die Leitung seiner Betriebe entzogen wurde, und der seine Betriebe nicht mehr betreten durfte.

Internetrecherchen, Artikel in unserer Heimatzeitung, meine Recherchen zu Häusern in Sehma, zur Spinnflügelfabrik Neudorf, zur Seilschwebebahn in Oberwiesemthal, so auch zu Küttner selbst, führten dazu, daß Ansehen dieses Sehmaer Bürgers wieder so darstellen zu wollen, wie es diesem großen Sehmaer Industrieellen zukommt.

Unzählige Gespräche mit Zeitzeugen, Aufzeichnungen Friedrich Mahns, das Umgestalten der Fabrikgebäude durch Familie Unger zu einem sehenswerten Blickpunkt im Ort, vorallem die Namensgebung des thüringischen Instituts für Kunststoff-Forschung für das neue Technikum-Gebäude in Anerkennung der Lebensleistung des Pioniers der deutschen Chemiefaserindustrie auf den Namen „Technikum Hugo Richard Küttner”, zeigten mir erneut die Notwendigkeit, sich auch in seinem Heimatort würdevoll an ihn zu erinnern.

Als dann unser Bürgermeister mit Vertretern der Gemeinde nach Pirna zur Bucheröffnung „Kunstseide aus Pirna. Ein Unternehmen in Deutschlands Zeitläufen” eingeladen wurde, war es an der Zeit ihn auch mit meiner Denkmalsidee vertraut zu machen. Ein Zeitungsartikel über meine Arbeit hierzu und das Gespräch der Korrespondentin mit dem Bürgermeister hierüber, erleichterten die Umsetzung nicht wenig, wozu auch der mündliche Auftrag des Bürgermeisters, mich um die Gestaltung zu kümmern, beitrug.

Ich entwarf eine Gedenktafel, besprach sie mit dem Ortschronisten Bernd Epperlein, gestaltete sie dann mit Alfred Brand, Graveur Om. Gewerberath d.H. so um, das ich diese dem Enkel Küttners vorlegen konnte. Nun folgte die Textgestaltung, denn diese mußte vom Enkel autorisiert werden, was aber nicht einfach war, da die wenigen Worte all die Verdienste dieses Sehmaer Wohltäters ausdrücken sollten.

Nach hinreichender Korrespondenz mit Herrn Georg-Heinrich Treitschke, dem Enkel Küttners, wurde mir das Ergebnis von ihm bestätigt und ich konnte es nun dem Bürgermeister vorlegen.

Als Standort des Denkmals - es sollte vor seiner Fabrik stehen - war von mir der Dreiecksplatz (ehem. Denkmalsplatz) an der Kreuzung Mittelstraße/Küttnerstraße (heute Str. der Freundschaft) angedacht.

Ein anderer, wie z.B. vor dem Eingang des Hauptgebäudes der heutigen Firma Unger, sollten bis zum Frühjahr 2017 noch geklärt werden, ebenso worauf die Tafel gestaltet werden wird, auf Findling, Stehle oder Mauer.

Am 08.03.2017 wurde im Gemeinderat der Beschluß zum Stellen des Gedenksteines auf dem oben genannten Platze beschlossen, doch wenige Tage später,  wiedereinmal,  wurde dies im Rathaus verworfen, somit nicht wie vorgesehen die Tafel repräsentativ mit einem Gedenkstein aufzustellen, sondern sie soll an die äußerste rechte Hausecke des Feuerwehrgebäudes befestigt werden!


Sei es wie es sei. Ich bin stolz, daß die Ehrung stattfindet, daß nach so vielen Jahren das Ansehen dieses Sehmaer Bürgers so dargestellt wird, wie es ihm gebührt und daß ich dazu beitragen konnte.

Und meine Ankündigung in der Festzeitung finden Sie  hier.



pks im September 2016
Zusatz April 2017



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