Sehma

entnommen dem
Tageblatt „ Annaberger Wochenblatt “  Hauptzeitung des Obererzgebirges. vom 3. Juni 1925



B  itte keine Zukunftsmusik! Die Entwicklungsmöglichkeiten der Landgemeinde Sehma sind gegenwärtig so klar, daß man ohne weiteres das Bild der kommenden Stadt voraussieht. Da ist zunächst das alte ehrwürdige „ Erbgericht “, jetzt noch eine vorzeitliche Überlieferung, die künftig nicht mehr sein wird. An seiner Stelle wird der durch Anlagen umrahmte Marktplatz mit der Pauluskirche sein.

Z  um Marktplatze gehört zweifellos ein Rathaus mit Turm als Wahrzeichen der neuen Zeit. Ein moderner Ratskeller wird die Bürger der Stadt zu fröhlicher Stunde beisammen halten. Ein großer Rathaussaal, der wenigstens 1500 Menschen faßt, wird die Ursache sein, daß Sehma künftig größere Tagungen und Kongresse in seinen Mauern bergen kann.
Das Industriegelände der Küttnerwerke wird den Teil rechts des Marktes bis zum Bergeshang restlos ausfüllen, so daß noch etliche Siedlungen aus alter Zeit in die Neustadt abwandern müssen. Mit der Neustadt kann man man wohl ohne weiteres das Bauvereinsgelände und den an der Turnerstraße anzuschließenden Teil annehmen. Weitere Entwicklungsmöglichkeiten bieten sich dann an der Straße nach Bärenstein, wo auch der allgemeine Sportplatz so großzügig angelegt werden wird, daß ohne Mühe ein Gauturnfest abgehalten werden kann.

S  chuberts Café wird künftig „ Schützenhaus “ heißen müssen, da in unmittelbarer Nähe der Schützenzug seinen Schießstand haben wird.

Z  um Ratskeller und Schützenhaus gesellt sich als drittes das würdige „ Bahnhofshotel “, ob an seiner jetzigen Stelle, wird Aufgabe der Bahnhofsbehörden sein; denn eine großzügige Bahnanlage mit breiten Zufahrtsstraßen ist schon lange überfällig. Die Züge nach Zwickau werden auch in Sehma halten. Und ferner wird Sehma reichlich Gelegenheit haben, des öfteren Oberwiesenthal im Fremdenverkehr zu entlasten, eventuell gar Ausgangspunkt größerer Wanderungen sein. Dazu gehört, daß Annaberg, die Metropole des oberen Erzgebirges, in Bezug auf die Stellung von Zügen nicht mehr von Chemnitz abhängig ist, was wiederum den angenehmen Vorteil hat, daß die Fernreisenden künftig schneller ans Ziel kommen, mindesten aber in Buchholz nicht mehr zu warten brauchen.

R  atskeller, Schützenhaus, Bahnhofshotel werden also dem menschlichen Wohle und der Bequemlichkeit dienen, den Fremdenverkehr fördern und dem Handwerk und Gewerbe zum Wohlstand verhelfen.

Die allen Anforderungen entsprechenden Badeanlagen bedürfen seitens der Stadtverwaltung der sorglichsten Pflege, während der Stadtarzt Dr. med.  ...  im am nahen Walde gelegenen Sanatorium seinerseits auf gesundheitlichem Gebiete ein außerordentliches Arbeitsfeld haben wird.

D  ie Sehma wird an manchen Stellen zu überwölben sein. So vor allen Dingen den Schulhof vergrößern helfen, um an seiner Ostseite eine Turnhalle aufnehmen zu können. Die alte Küttnermühle und das Kellerhäschen werden diesen Projekten weichen müssen.

U  m die Staubplage wesentlich zu mildern, wird das Straßen- und das Wasserbauamt bei den Fraktionen größere Geldmittel anfordern müssen und allzeit um gut Wetter bitten. Des Stadtbaumeisters Sorge wird es sein, den Heimatstil in jeder Beziehung zu wahren und sein besonderes Augenmerk auf schöne, saubere Vorgärten zu richten.
Hat die Verkehrs- und Fremdenpolizei die öffentliche Ordnung zu wahren, so wird die Feuerwehr in tadelloser Uniformierung einen ständigen Hilfs- und Rettungsdienst im Rathause einrichten müssen. Dazu kommt Samariterwesen und die freiwillige Krankenpflege, die entweder im Dienste der Stadt oder der Kirche stehen kann. Das Sanatorium wird gleichzeitig einen Flügel haben, um Kranke aufnehmen zu können, die zu Hause nicht die notwendige Pflege haben.
Auch eine Heimat für Heimatlose ist unter besonderer polizeilicher Aufsicht notwendig.

E  ine elektrische Straßenbahn≈A.≈G., deren Aktionäre hervorragende Industrielle des oberen Erzgebirges und die Stadt Annaberg, sowie der sächsische Staat sind, unterhält einige Straßenbahnlinien in Form der elektrischen Schnellbahnen Nordfrankreichs und verbindet insbesondere Sehmatalortschaften dann, wenn keine Zugverbindungen bestehen.
Zu allen jenen Einrichtungen, die Sehma zu einer mordernen erzgebirgischen Stadt aufrücken lassen, wird in „ 25 Jahren “ eine weitsichtige Verwaltung alle diese Vorbedingungen geschaffen haben, die notwendig sind, um ungefähr im „ Jahre 1950 “ seiner Vollendung entgegen zu sehen.

E  s wird keine Stadt mit irgendwelcher historischen Überlieferung sein, aber ganz bestimmt kann die Stadt mit einer Chronik beginnen, wie sie vorbildlich von Schuldirektor Mahn, Kantor Ruckdeschel, geschrieben worden sind. Nicht zuletzt sind die Aufzeichnungen vom Oberlehrer Fink maßgebend. Wenn Oberlehrer Fink in seinen Aufzeichnungen die großen Salzstraßen von Thüringen nach Nordböhmen durch Sehma legt, dann muß in Bezug auf die Bezeichnung von Straßen und Plätzen dem Rechnung getragen werden, wie überhaupt die Straßenbezeichnung keine willkürliche sein darf, sondern getreu der geschichtlichen Überlieferung entsprechen muß.

E  s darf nicht im geringsten der erzgebirgische Charakter verwischt werden. Industrie und Landwirtschaft müssen in gut vorbereiteter Weise mit den Ständen des Ortes den ausgleihenden Pol zur Fremdenstadt suchen und sie werden ihn finden, wenn jedermann dazu beiträgt, die einzelnen Gesichtspunkte und deren Grenzen so weit als möglich zu stecken, um über persönliches und der Zukunftsentwicklung des Ortes schadendes hinwegzukommen.



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