Klöppeln

Noch heute ist der Name Barbara Uttmann eng mit der Tradition des Spitzenklöppelns verbunden. Die Verlegerin Barbara Uttmann, die oft fälschlicherweise als die Erfinderin des Klöppelns im Erzgebirge bezeichnet wurde, hatte vermutlich einen maßgeblichen Anteil an der Verbreitung.

Handgeklöppelte Spitzen waren teuer und ein Luxusartikel nur für reiche Leute.

Ab etwa 1800 lieferte die Industrie Maschinenspitzen, die auch für Normalbürger erschwinglich waren. In den folgenden hundert Jahren teilten sich die Maschinenspitze und handgeklöppelte Spitze den Markt, aber der Preisdruck der Maschinenware machte den Klöpplerinnen sehr zu schaffen. Trotzdem gab es 1850 im Erzgebirge über 50.000 Klöppler und Klöpplerinnen.

Um 1900 gründete man vielerorts Klöppelschulen in der Absicht, die handgeklöppelten Spitzen durch Verbesserung der Qualität wettbewerbsfähiger zu machen und der Armut und Landflucht entgegenzuwirken. Die Maßnahmen hatten mancherorts Erfolg: noch in den 1920er Jahren wurden im Erzgebirge handgeklöppelte Hochzeitskleider für den Export in die USA hergestellt.

In den 1950er Jahren gab es in Deutschland kaum noch aktive Klöpplerinnen. Die Frauen, die früher durch Klöppeln ein kleines Einkommen mühsam verdient hatten, waren froh, dies nicht mehr nötig zu haben; ihre Töchter lernten das Klöppeln nicht mehr. In nur sehr wenigen der einst zahlreichen Klöppelschulen fand noch Unterricht statt.


Spitzenklöppelschule Sehma
nach dem Krieg

Veranlaßt durch ein Schreiben vom Herrn Trautmann, Direktor der „Barbara-Uttmann-Schule“, Staatliche Meisterschule für Klöppelspitzen in Schneeberg an die Gemeinde Sehma für die Errichtung einer „Spitzenklöppelschule Sehma“ an der örtlichen „Friedrich-Richard-Schule“.
Für die richtigen Arbeitsabläufe wurden strenge Arbeitsschritte durch die Barbara-Uttmann-Schule Schneeberg den Klöppellehreinnen vorgegeben, wie der vorliegende Schriftverkehr zeit.

10.04.1948   Am 10. April 1948 fand die Eröffnungsfeier der Klöppelschule Sehma statt. Aus diesem Anlaß hatte sich Herr Bürgermeister Richard Horn, nebst einigen Gemeinderatsmitgliedern, die Schulleiterin, Frau Erika Dieckmann mit dem Lehrerkollegium und den Schülerinnen und Schülern im Festsaal der Friedrich-Richard-Schule versammelt.

Dort wurde mit kurzen Ansprachen des Bürgermeisters und der Schulleiterin die Klöppellehrerin, Fräulein Kaufmann, als Leiterin der Klöppelschule eingeführt. Anschließend wurde das Zimmer 8 der Schule, das für den Klöppelunterricht eingerichtet worden war, besichtigt. Die Möbel waren echt erzgebirgisch. 6 Tische mit je 4 Stühlen auf beiden Seiten, sowie ein Lehrertisch, zählten zur ersten Ausstattung. Es war ein geräumiges Zimmer mit großen Fenstern und viel Sonne, gerade richtig für die Arbeit.

Tätigkeits- und Schulbericht für April-Juni 1948 verweist auf:
Sehma 194 Kinder, Cunersdorf 13 Kinder

19.04.1948   Am 19. April 1948 fand der erste Klöppelunterricht statt. Viele Mädchen, sowie einige Knaben aus den Klassen 1-8 hatten sich für den Klöppelunterricht gemeldet. Zunächst galt es für die Kinder, das zum Klöppeln notwendige Material, wie Klöppelkissen, Ständer, Klöppel, Stecknadeln, Umstecknadeln zu besorgen. Klöppelzwirn sowie Klöppelbriefe wurden von der Lehrerin an den Kindern abgegeben.

Besonders schwierig war es in dieser Nachkriegszeit vor allem, rostfreie Stecknadeln zu bekommen. Da bis zu einem bestimmten Grad des Erlernens das Klöppelkissen der Kinder in der Schule bleiben mußte, war eine Abstellmöglichkeit derselben notwendig. Dafür erhielten wir bald 2 große Regale. Nach einem mit dem Unterricht der Grundschule abgestimmten Plan, nahmen die Kinder an 5 Wochentagen am Klöppelunterricht teil.

Tätigkeits- und Schulbericht für Okt.-Dez. 1948 verweist auf:
Sehma 194 Kinder, Cunersd. 17 Kinder, Schlettau 3 Kinder

18.10.1948   Am 18. Oktober 1948 wurde für einen Abend in der Woche ein Klöppelzirkel für Erwachsene eingerichtet. Am 27. Januar 1949 besuchte Direktor Trautmann von der Barbara-Uttmann-Schule in Schneeberg, als Aufsichtsführender aller erzgebirgischen Klöppelschulen, unsere Schule.

Tätigkeits- und Schulbericht für Jan.-März. 1949 verweist auf:
Sehma 197 Kinder, Cunersdorf 25 Kinder, Schlettau 3 Kinder

06.05.1948   Am 06. Mai 1949 wurde die Klöppelschule nach einer Schulausschußsitzung vom Zimmer 8 in das Zimmer 1 der Grundschule verlegt. Dieser Raum hatte leider keine Sonne, doch der Bürgermeister ließ ihn vor unserem Umzug frisch herrichten, mit schönen erzgebirgischen Wandmalereien und einem Barbara-Uttmann-Bild versehen, wie das beigefügte Bild zeigt.

Tätigkeits- und Schulbericht für April-Juni 1949 verweist auf:
Sehma 192 Kinder, Cunersdorf 28 Kinder, Schlettau 4 Kinder

09.05.1949   So konnten wir am 9. Mai 1949 zum ersten mal in dem neuen Raum Unterricht erteilen. Die Kinder nahmen regelmäßig und fleißig am Klöppelunterricht teil. Erlaubte es die Zeit, so wurde zur Gitarre auch erzgebirgische Lieder gesungen. Die Begeisterung und der Eifer der Kinder ermöglichten es, daß wir schon nach einem reichlichen Jahr unseres Bestehens eine ansehnliche Ausstellung von Schülerarbeiten während eines Schulfestes vom 02.07. bis 06.07.1949 zeigen konnten. 3500 Personen besuchten diese Ausstellung. Das gab unserer Arbeit neuen Auftrieb.

06.09.1949   6. September 1949 bekamen wir einen Schrank für unser Klöppelzimmer. Und am 5. November 1949 erfreute uns der Bürgermeister mit 7 geschnitzten Leuchtern, die über den Tischen angebracht wurden. Jeder Leuchter hatte 2 Lampen nach unten und darüber befanden sich 2 geschnitzte Figuren.

Tätigkeits- und Schulbericht für Juni-Sept 1949 verweist auf:
Sehma 150 Kinder, Cunersdorf 26 Kinder, Schlettau 3 Kinder

14.01.1950   Vom 14.01. bis 29.01.1950 beteiligten wir uns mit Klöppelarbeiten an einer Industrieausstellung im Sportheim Sehma.

Der Klöppelunterricht war freiwillig und fand an 36 Stunden wöchentlich statt. Von jedem Kind mußten monatlich 80 Pfennige, wie Schulgeld, entrichtet werden, welches von der Lehrerin an die Gemeindekasse abgeliefert wurde. Geklöppelt wurden Spitzen, Einsätze, Geschenktuchkannten, Kragen, Kissenplatten, Buchzeichen und Deckchen in verschiedenen Größen, Formen und Techniken. Die höchste Schülerinnenzahl betrug 223.

10.02.1950   Am 10. Februar 1950 gehörten zu unserer Klöppelschule 175 Schülerinnen. Dazu zählten auch Kinder vom benachbarten Cunersdorf. Um für diese Kinder eine Erleichterung herbeizuführen, wurde ab dem 7. März 1950 jeden Dienstag Nachmittag Klöppelunterricht in der Schule Cunersdorf abgehalten.

Tätigkeits- und Schulbericht für Jan.-März 1950 verweist auf:
Sehma 147 Kinder, Cunersdorf 31 Kinder

12.05.1950   Am 12. Mai 1950 besuchte uns zum 2. mal Herr Direktor Trautmann, von der Barbara-Uttmann-Schule in Schneeberg. Am 22. September 1950 wurde unsere Klöppelschule von einem Vertreter der Regierung, dem Kreisschulrat und Herrn Direktor Trautmann besucht. Mit Ablauf des Jahres 1950 fand eine Reorganisation aller erzgebirgischen Klöppelschulen statt.

Tätigkeits- und Schulbericht für Juli-Sept. 1950 verweist auf:
Sehma 125 Kinder, Cunersdorf 32 Kinder

01.01.1951   Klöppellehrerin Kaufmann wurde ab 1. Januar 1951 als Schulamtsanwärterin von der Grundschule Sehma übernommen, während der Klöppelunterricht als Arbeitsgemeinschaft der Pionierorganisation wöchentlich an einem Nachmittag abgehalten wurde. Damit verloren wir unser so schön eingerichtetes Klöppelzimmer.

Man stellte uns ein ehemaliges Kartenzimmer zur Verfügung, in dem nur 3 Tische aufgestellt werden konnten. Dies hatte einen starken Rückgang der Schülerinnenzahl zur Folge. Die Besoldung der Lehrkraft wurde für diesen einen Nachmittag in der Woche bis zu den Sommerferien 1953 von der Pionierorganisation übernommen.

01.08.1953   Um zur Erhaltung unserer schönen erzgebirgischen Volkskunst beizutragen, erteilte Klöppellehrerin Melzer ab 1. August 1953 unentgeltlich den Unterricht weiter. Wegen einer schweren Erkrankung vom 29. Januar 1954 bis 7- Januar 1955 schied Klöppellehrerin Melzer am 29. Januar 1955 aus dem Schuldienst aus.

29.01.1955   Da keine Institution bereit war, die Klöppelschulen zu finanzieren, ruhte von nun an diese Arbeit. Nach intensiven Bemühungen gelang es, die erzgebirgischen Klöppelschulen wieder zu neuen Leben zu erwecken. Sie wurden über die Abteilung Kultur dem Haus der erzgebirgischen Volkskunst in Schneeberg unterstellt. Von dort wurde für die Gemeinde Sehma eine halbe Planstelle ( ½ ) genehmigt.

01.09.1956   So konnte am 1. September 1956 der Klöppelunterricht wieder beginnen. Hierfür wurde uns das Kartenzimmer in der Grundschule wieder zur Verfügung gestellt. Hier konnten nur 3 der früheren Tische mit 24 Stühlen Platz finden.

Tätigkeits- und Schulbericht für Sept.-Dez. 1956 verweist auf:
62 Kinder

Ab dem 15. September konnte in Sehma der Klöppelunterricht wieder erteilt werden. Dafür wurde das Musikzimmer genutzt. Am 5. November begann der wöchentliche Klöppelabend für Erwachsene.

05.11.1956   Am 5. November 1956 wurde ein Abendzirkel für Erwachsene eingerichtet. Am 27. August 1958 bekamen wir einen neuen Schrank.

1957/1958   Im 1. Tertial 1957/58 erfolgte der Unterricht an den Tagen Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag von 14-16Uhr und 35min. Der vom Hause der erzgebirgischen Volkskunst an mich abgegebene Zwirn ist verbraucht. Es wurde für die weitere Arbeit 1 Kg Klöppelzwirn erbeten.

Tätigkeits- und Schulbericht für Jahr 1958 verweist auf:
Beteiligt waren 87 Kinder

1958/1959   Für die weitere Klöppelarbeit hat die Klöppellehrerin Hilde Melzer, geb. Kaufmann noch einen Stoffverteilungsplan für das Schuljahr 1958/1959 gefertigt, der gleichzeitig für Ihre Nachfolgerin eine Anregung sein könnte.

Tätigkeits- und Schulbericht für Jahr 1959 verweist auf:
Beteiligt waren 86 Kinder

01.09.1959   Am 31. August 1959 schied Klöppellehrerin Melzer auf eigenen Wunsch aus dem Schuldienst aus und übergab am 1. September 1959 die Klöppelschule an die Klöppellehrerin Dietrich aus Beierfeld.

1959/1960   Die Klöppellehrerin Dietrich beginnt mit 61 Kindern ihren Unterricht, der an dan Tagen Mo, Mi, Do und Fr. Nachmittags stattfindet. Ihr erster Monatsbericht zeigt die notwendigen Aufgaben auf, wobei der 10.Jahrestag der Republik mit einer großen Ausstellung in der Schule das Nahziel ist.

Hier enden die Aufzeichnungen


Quelle:  
Aufzeichnungen von Frau Melzer, geb. Kaufmann
in 5 von ihr hinterlassenen Heftern
Kurzbericht verfaßt:  08.09.1994 Walther/Herzke


bearbeitet von pks