Sehma - zum Heimatfest 1992

Die Entstehung des Dorfes Sehma.


Wenn es auch urkundlich nicht zu belegen ist, so muß die Gründung des Dorfes Sehma doch fast 200 Jahre vor dem ersten schriftlichen Zeugnis gesucht werden. Unser Erzgebirge wurde um 1200 von deutschen Bauern, vor allem aus Franken, Thüringen und dem Rheinland besiedelt und in schwerer körperlicher Arbeit urbar gemacht. Vor der Besiedlung war das Erzgebirge ein morastiger Urwald, der in alten Urkunden als Miriquidi (Dunkelwald) bezeichnet wurde und durch den nur wenige gangbare Wege oder Steige führten. Durch unser Gebiet verlief damals von Halle über Altenburg kommend, einer der wichtigsten Wege über das Gebirge in Richtung Prag. Dieser Weg diente vorwiegend dem Salzhandel, so daß ihn unsere Vorfahren als Salzstraße bezeichneten. Die Streckenführung ist noch heute annähernd nachvollziehbar. Wichtigste Stationen waren "Zwickau", "Hartenstein", Zwönitz", Elterlein", die Finkenburg, "Schlettau", "Sehma", "Kühberg", der "Blechhammer", der "Weiße Hirsch", "Preßnitz", "Kaden" und weiter nach "Prag". Diesen Weg benutzten die Siedler als Anmarschstraße in unser Gebiet.

In der Altenburger Gegend, zwischen Altenburg und Gößnitz, liegt an der alten Zwickauer Landstraße das Dorf Zehma mit einer mehr als tausendjährigen Geschichte.
Die Siedler nannten ihre neuen Dorfgründungen entweder nach ihren Lokatoren (der Beauftragte des Grundherren bei der Besiedelung), wie zum Beispiel bei den Nachbarorten Cunersdorf und Walthersdorf oder sie gaben ihnen den vertrauten und liebgewordenen Namen des Mutterortes in ihrer ursprünglichen Heimat. Wir können deshalb unserem Heimatforscher Mahn folgen und unseren Ortsnamen Sehma als Traditionsnamen des Mutterortes Zehma bei Altenburg herleiten.

Der Burggraf von Altenburg hatte in unserem Gebiet Landbesitzungen. Es ist daher naheliegend, daß er die Bauern zur Besiedelung dieser Ländereien aus seinem Stammgebiet gewann.

Es gibt aber auch noch andere Deutungen unseres Ortsnamen.

Ernst zu nehmen ist vorallem die Verbindung des Ortsnamens mit dem Namen des durchfließenden Baches. Sehma wird aber bei der alten Bezeichnung für Binsenbach hergeleitet. Unser Heimatforscher Mahn sagt aber, daß der Bach in früheren Zeiten noch gar nicht Sehma hieß, sondern andere Bezeichnungen hatte.

Auch aus Simondorf wurde eine Ortsnamendeutung versucht. Das zurückzuführen auf die Sage des Ritters Hermann auf dem Sonnenstein nördlich der Gemeinde Hermannsdorf, dessen 3 Söhne Simon, Walther und Konrad in der hiesigen Gegend als Dorfgründer aufgetreten seien.

Als letzte Deutung wird angeführt: Sehma, das bedeute fester Boden im Gegensatz zu Schlettau, dessen Name als Moorgrund mit salzigem Wasser erklärt wird.

Gleich welche Namensdeutung man auch wählt, die jedenfalls ältesten urkundlich beweisbaren Namensformen lauten:

1367 SEMO,          1413 SHEME.

Die ankommenden Siedler gründeten ein typisches Waldhufendorf. Der durchfließende Bach bildete für die Landvermessung der zugewiesenen Gemarkung (die Dorfflur) die Mittelachse. Das Land unmittelbar rechts und links am Bach, sowie ein beträchtlicher Teil des Waldes verblieb im Besitz der Dorfgemeinschaft und wurde nicht mit aufgeteilt. An den erhöhten Rändern sollten die Höfe entstehen. Hofanliegend wurden durch den Landvermesser mit den einfachsten Mitteln lange schmale Streifen, etwa 1200 m bis 1400 m lang und 80 m bis 100 m breit, abgemessen. Ein Bodenstreifen reihte sich Bandartig an den anderen. Hufe nannte man einen solchen Bodenanteil. An jeder Hufe entlang wurde der Feldweg angelegt. Damit er nicht allzu steil anstieg, mußten die Flurstreifen dem Gelände angepaßt werden. Die abgemessenen Hufen wurden ausgelost. Mit dem Beauftragten des Grundherren wurde ein Lehensvertrag vereinbart, der vor allem die später zu leistenden Abgaben und Steuern regelte.

Zur Schlichtung von Steitigkeiten und anderen Problemen wurde aus den Reihen der Siedler der Richter gewählt. Das waren einige wichtige Voraussetzungen, die vor Beginn der Rohdung zu schaffen waren.

Von der zu erbringenden Arbeitsleistung unserer Vorfahren können wir uns heute keine Vorstellung mehr machen. Neben dem Bau der Unterkunft, der Versorgung der mitgebrachten Haustiere, der Alltagsarbeit für den Haushalt und in der Familie, stand die Urbarmachung des Bodens, als Grundlage für Ernährung ständig im Mittelpunkt ihres Lebens. Es war eine großartige Kulturleistung vor der wir heute voller Hochachtung stehen.

An Hand der Flurbücher und Steuerlisten lassen sich annähernde Aussagen über die Anzahl der Erstsiedler machen. Danach müssen es 27 Familien gewesen sein, die unser Dorf gründeten.

Bei der Urbarmachung mußten sich die Familien gegenseitig helfen. Wesentliche Teile der Gemarkung konnten nur unter dem gesamten Einsatz aller Kräfte der siedelnden Dorfgemeinschaft ausgerodet werden. Eine solche Auffassung, daß die einzelnen Siedler, also der einzelne Mann, mit der schweren Arbeit der Urbarmachung allein fertig werden konnte, ist nicht vorstellbar. Es war Urwald, aus dem Ackerboden zu bereiten war und zwar unter gebirgischen Verhältnissen. Das bedeutet die Beseitigung von großen Steinen und Felsbrocken, sowie das Fällen von großen Bäumen und die Ausrodung der Wurzelstöcke. Schwerste Arbeit also. Das konnte nur in Gemeinschaftsarbeit erfolgen.

Ebenso dürfen wir uns nicht vorstellen, daß die Besiedelung unserer zugeteilten Dorfgemarkung zeitlich ein Alleingang für Sehma war. Es bildeten sich in der Nachbarschaft überall neue Dörfer.

Das Zentrum unsrerer unmittelbaren Umgebung war bei der Besiedelung die Burg Schlettau. Von diesem alten Herrensitz in Schlettau geboten die Ritter und später die Amtsleute über die neuen Siedlungen ihrer Herrschaft, zu der folgende Dörfer gehörten: Sehma, Cranzahl, Cunersdorf, das halbe Dorf Königswalde, Walthersdorf, Schlettau und einige Flurteile des heutigen Ortses Bärenstein.

Dieses Siedlungsgebiet - es wird in alten Urkunden Schlettauer Herrschaft oder Schlettauer Pflege genannt - zu dem unser Dorf Sehma gehörte, wurde 1351 (im Mittelalter), Besitztum der Schönburger. Die Schönburger waren in dieser zeit ein reiches und mächtiges Adelsgeschlecht. Es besaß vor allem auch große Ländereien in Böhmen. Durch diese neuen Besitzverhältnisse geriet die Herrschaft Schlettau und damit auch unser Sehma unter böhmische Lehensherrschaft. Diese Schönburger Adelsherren ersuchten Kaiser Karl IV. um zollfreie Einfuhr von Waren und Vieh aus ihren böhmischen Besitzungen für ihr Gebiet um Schlettau. Die kaiserliche Genehmigung erfolgte am 5. Juni 1367. Das Dokument wurde in Stollberg ausgefertigt. Darin werden alle Orte aufgeführt, für die diese Privilegien in Frage kommen. Uns interessiert dabei besonders unser Sehma - das als SEMO - mit aufgeführt wird.

Die Adelsgeschlechter in mittelalterlicher Zeit gerieten in schicksalhaften Auf- und Abstieg, wurden reich oder verarmten. So waren auch die Schönburger gezwungen, die Schlettauer Herrschaft zu verkaufen. Das Kloster Grünhain kaufte 1413 unser Gebiet und bereits 1417 erhielt das Kloster vom Kaiser alle Privilegien und Rechte über das neuerworbene Besitztum.

Wenige Jahre darauf, 1422, erhielt Friedrich der Streitbare von Meißen (Sachsen) die Oberhoheit über die Herrschaft Schlettau mit allen seinen Dörfern. Damit begann ein bedeutungsvoller Vorgang, durch den wir wieder unter deutsche Lehenshoheit kamen.

Es ist aber festzuhalten, daß mit unserer engeren Heimat im Mittelalter ein beinahe unwürdiger Handel getrieben wurde. Wie eine Sache wurden Land und Leute verkauft und verpfändet, sodaß unsere Vorfahren viele Jahre unter böhmische Herrschaft gerieten.

Quelle:
entnommen der
Broschüre zur 625-Jahr-Feier Sehmas im Jahre 1992
Verfasser: B. Nestler, R. Pollmer, H. Schmiedel