„Der schwierige Kirchenbau“


D  
ie Historie vom Entstehen des ersten Gotteshauses in Sehma

E  s war am 30. November 1673, der erste Advent, ein Lange herbeigesehnter Tag. Im langen Zuge bewegten sich die Sehmaer von der oberen Mühle durch das Dorf hin zur neuen Kirche, wo sie sich mit den Cunerdorfern trafen, um mit ihnen gemeinsam den festlichen Weihegottesdienst zu feiern.

Der 69jährige, fast erblindete, Superintendent Georg Seidel hielt die Festrede.

S  ehma war damals ein kleines Bauerndorf und wie Cunersdorf und andere umliegende Dörfer zur Herrschaft Schlettau gehörig.

Entstanden unter dem Burggrafen von Altenburg, kam es mit Schlettau und den zugehörigen Dörfern an die Herrschaft der Schönburger, die auf der Burg Hassenstein in Böhmen residierten und gehörte damals zum Bistum Prag. Später wurde die Herrschaft Schlettau an das Kloster Grünhain verkauft und fiel nach der Reformation an das Kurfürstentum von Sachsen.

vom Orte aus gesehen, etwa um 1880

Ü  ber Jahrhunderte hinweg besuchten die Sehmaer und ihre cunersdorfer Nachbarn die Gottesdienste in Schlettau, Wurden dort getraut, ließen ihre Kinder taufen und betteten ihre Verstorbenen auf dem Schlettauer Gottesacker zur ewigen Ruhe.

E  lf Jahre nach dem verheerenden Dreißigjährigen Kriege, im Gebirge herrschte bittere Not, brach am 12. November 1659 abends 9°° Uhr im Malzhause am Schlettauer Markt ein Brand aus. Die Brauknechte des Bürgermeisters Jungmichel waren mit dem Lichte leichtsinnig umgegangen. 48 Häuser, die Kirche und die Kaplanei waren ein Raub der Flammen geworden. Der obdachlose Diakonus Johann Weitzendörfer fand Unterkunft in Sehma.

D  ie eingeäscherten Gebäude mitsamt der Kirche galt es nun wieder aufzubauen, und dazu sollten die eingepfarrten Dörfer mit herangezogen werden. Zunächst schien es auch, als wollten sich die Sehmaer und Cunersdofer nicht sperren. Sie hatten nämlich 100 Jahre zuvor, als sich Cranzahl kirchlich von Schlettau trennte, einen Verzicht geleistet. Sie wollten „auf ewig mit der Mutter Schlettau“ verbunden bleiben. Aber die Umstände waren günstig, und so setzte man sich bald über die Verzichtserklärung hinweg.

A   m 28. Februar 1661 richteten die Sehmaer und Cunersdorfer ein „untertäniges Gesuch“ an den Kurfürsten. Die Seele des ganzen Unternehmens war der Sehmaer Erbrichter Hannß Feig. Zehn Punkte waren aufgeführt, die die Notwendigkeit der Auspfarrung von Schlettau darlegen sollten. So wurde u.a. folgende Erschwernisse beklagt:

- Der weite Kirchweg bei jedem Wetter, beschwerlich besonders für Schwangere
und Wöchnerinnen, sowie Alten.
- Der weite Weg mit Täuflingen.
- Der lange Schulweg der Kinder.
- die häufige Abwesenheit des Geistlichen bei Kranken und Sterbenden.
- Das beschwerliche Verbringen der Verstorbenen auf den Schlettauer Gottesacker.

A  ußerdem wurde darauf hingewiesen, daß Exulanten, die damals in großer Zahl von der Gegenreformation aus Böhmen vertrieben wurden, die wüsten Güter in Sehma und Cunersdorf wieder aufbauen und bewohnen könnten, wenn sie nur ein Kirchlein vorfänden. So würden auf diese Weise auch die kurfürstlichen Steuereinnahmen gefördert.

D  em Ansinnen der Sehmaer und Cunersdorfer widersetzte sich besonders der alternde Pfarrer Johann Samson, weil natürlich für Schlettau viel auf dem Spiele stand, denn die Dörfer steuerten ja die Hälfte des gesamten Kirchenaufwandes bei. Die zweite Pfarrstelle war plötzlich gefährdet. Daß aber ein zwölfjähriger harnäckiger Streit die Folge des Gesuches werden könnte, das hatte man in Sehma und Cunersdorf nicht erwartet und auch nicht gewollt.

S  tändig wurden Einwände vorgebracht, die oft unhaltbar waren, aber sie verzögerten. Zu angesetzten Gesprächen erschienen die Schlettauer häufig nicht oder ließen diese verschieben, blieben dann aber trotzdem fern. Dafür brachten sie umso häufiger ihre Meinung in Eingaben zum Ausdruck. Sie betonten immer wieder: „Die Kirche zu Schlettau ist ein uraltes Gestift, so nicht zu trennen wäre. Um der Bauern willen können wir unser eigenes Kirchwesen nicht zugrunde richten lassen.“

Man sprach von Abtrünnigen, Halsstarrigkeit, Bauerstoltz.

Staunen muß man über die unendliche Geduld und Langmut der übergeordneten kurfürstlichen Ämter und des Oberkonsistoriums, die immer wieder Bevollmächtigte ernannten und versuchten, eine gültige Regelung herbeizuführen.

D  ie Sehmaer und Cunersdorfer blieben anständig und höflich, aber unnachgiebig in der Sache. Ihre Begründungen überzeugten offenbar den Superintendenten Georg Seidel, der in einem Briefe äußerte: „Ich kann es den Sehmaern keineswegs übel deuten oder verargen, daß Sie auf einen eigenen Pfarrer bedacht sind, weil sie doch einen ziemlich weiten und sonderlich zur Winterszeit einen sehr beschwerlichen Kirchweg haben. Ich achte mich schuldig zu ihrem Vorhaben.“
Seiner Gunst ist es zuzuschreiben, daß in einer Verordnung des Oberkonsistoriums vom 11. Mai 1666 „der Kirchenbau gnädigst gestattet wurde“. Ein Grund dafür mochte auch sein, daß der Bauplatz, die Wiese hinter dem Erbgericht, vom Erbrichter bereits zur Verfügung gestellt worden war und auch das meiste Baumaterial bereits bereitlag. Die Baugenehmigung allerdings bedeutet leider noch nicht vollständige Trennung von der Kirche in Schlettau. Trotzdem - die Baupläne lagen vor, man übertrug dem Zimmermeister Christoph Schubert aus Cranzahl die Bauleitung und begann das Werk.

vom Süden her gesehen, Ansicht vor 1880

D  ie Schlettauer gaben aber noch nicht auf. Sie versuchten die Sehmaer und Cunersdorfer zu überreden, vom Bau abzulassen. Die angeschafften Baumaterialien wollten sie den beiden Gemeinden gegen gute Bezahlung gern abnehmen. Diese ließen sich aber nicht beirren, zumal ihnen behördlicherseits Förderung des Baues zugesichert wurde.

A  ls die Sehmaer ein in einer Zwangsversteigerung erworbenes Bauerngut als Sitz für einen Pfarrer auszuüben begannen, es befand sich gegenüber der heutigen Schule, da wandte sich der Schlettauer Pfarrer Samson nach Dresden, mit der Bitte, den Bau zu verbieten. Er hatte immer noch die Hoffnung, die Kirche in Sehma als Filialkirche im Verbund mit Schlettau zu halten.

Die Sehmaer und Cunersdorfer aber hatten 1670 den Kurfürsten geschrieben, „er wolle ihnen als Pfarrer ein qualifiziertes Subjekt verordnen.“

Im Jahre 1671 vermeldeten sie: „Kirchen-, Pfarr- und Schulbau sind nun dermaßen in Stand gesetzt, daß ein jedes zu seinem Gebrauchdienen kann.“

A  ber die Schlettauer gaben sich immer noch nicht geschlagen, galt es doch wenigstens die Anstellung eines eigenen Pfarrers in Sehma zu verhindern. Sie wandten sich an alle möglichen höhergestellten Herren, so zum Beispiel an den Kammerherren und Amtshauptmann Andreas Adrian Borck. Pfarrer Samson führte zwei Trümpfe ins Feld:

„- Die Verordnung des Fritz von Schönburg von 1411, daß die Besoldung von zwei Geistlichen in Schlettau von den angeschlossenen Dörfern mit geleistet werden müsse.

- Den Verzicht der Sehmaer und Cunersdorfer auf eine eigene Kirchgemeinde von 1565. “

B  ald aber konnten die Sehmaer und Cunersdorfer geltend machen, daß ein Hauptgrund der Verweigerung hinfällig sei. Der Diakonus Weitzendörfer, auf dem man Rücksicht zu nehmen hatte, war nach Hartau bei Chemnitz berufen worden.

     Am 10. Dezember 1672 starb Johann Samson. Sein Nachfolger wurde Johann Schellenberger. Unter ihm verwirklichte sich, was man so lange angestrebt hatte. Eine von den Sehmaern und Cunersdorfern geforderte Visitation mit Bevollmächtigten Personen fand am 23. Juni 1763 in Sehma statt. In dem Gutachten darüber ist zu lesen: „Es ist nicht allein ein sehr weiter Weg, besonders von Cunersdorf aus, sondern die beiden Gemeinden haben auch unter Daransetzung ihres äußesrten Vermögens eine zierliche Kirche von Grund aus erbauet und ein Ziemliches darauf verwendet. Und das alles ist geschehen zur Ehre Gottes und zur besseren Erbauung ihres Christentums.“

vom Norden aus gesehen, nach einem Stich von 1840

S  o groß die Einigkeit der Sehmaer und Cunersdorfer auch damals war, so geschlossen sie auch dem gemeisammen Ziele zustrebten. in einem Punkte gingen ihre Ansichten auseinander, in der Frage des Bauplatzes. Viele Cunersdorfer hätten die Kirche gern beim „Hofgut“ (Pragergut) gesehen, näher zu ihrem Orte. So soll das auf der Erbgerichtswiese gelagerte Bauholz in der Nacht fortgetragen und am nächsten Morgen draußen beim Hofgut vorgefunden worden sein.

D  ie Beführworter der Erbgerichtswiese als Bauplatz ließen es sich aber nicht verdrießen und brachten die Balken und Bretter zurück an den Platz, auf dem die Kirche schließlich doch erstand.

E  inen Tag nach der Kirchenweihe hielt ihr spätere erster Pfarrer, der damals 42jährige Nathanael Trowitzsch, seine Probepredigt. Sein in Oel gemaltes Bildnis befindet sich in der Sakristei unserer heutigen Pauluskirche.

- Am 28. August 1673 fand die letzte Trauung und am 26. Oktober die letzte Taufe in Schlettau statt.

- Am 01. Oktober 1673 bewegte sich der letzte Leichnam nach dort. In allen drei Fällen handelte es sich um Einwohner Cunersdorfs.

- Am 21. Januar 1674 wurde unser Friedhof anläßlich des Begräbnisses eines Cunersdorfers geweiht.

N   unmehr bildeten Sehma und Cunersdorf eine eigene Kirchgemeinde. Diese erste Sehmaer Kirche war 225 Jahre Verkündigungsort der christlichen Botschaft für die zwei Orte.

Aber schon mit Wirkung vom 01. Januar 1896 bildete Cunersdorf eine eigene ev.-luth. Kirchgemeinde und begann bald darauf mit dem Bau ihrer Kirche.

A   m 26. Juni 1898 fand in unserer Kirche der Abschiedsgottesdienst statt. Baufällig geworden, wurde sie abgebrochen und an ihrer Stelle unsere heutige Pauluskirche errichtet, deren 100jähriges Bestehen 1999 gefeiert wurde.

bearbeitet von pks

veröffentlicht im Sehmaer Heimatblatt 3/98
u. zusammengestellt von Helfried Schmiedl