Georg Gehler:
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Diese dokumentarisch belegte Bezeichnung wird seit etwa 50 Jahren in ihrer ethymologischen Herkunft von einigen Forscher angezweifelt, mit dem Hinweis, daß es im hiesigen Gebiet keine Fürsten gegeben habe, wird die Deutung auf Firstenweg, d.h. ein Weg auf dem First verlaufend, gedeutet.
Diese Deutung ist in mehrfacher Hinsicht unreal und entbehrt allein schon durch den Verlauf des Fürstenweges ihren Beweis:
1) Es ist kein Weg, der sich auf dem Bergrücken (First) zwischen dem Zschopau- und Sehmatal in seine gesamten Ausdehnung - Frohnau bis Fichtelberg - hinzieht, sondern dessen Verlauf durch urkundliches Material beweisbar aus Richtung Schlettau kommend auf dem Bergrücken zwischen Sehma und Waltersdorf hinzieht, aber auf Cranzahler Flur sich südostwärts ins Sehmatal hinabsenkt und in Neudorf nach Kretscham-Rothensehma über den Bergrücken hinweg ins Pöhlatal nach dem heutigen Unterwiesenthal.
2) Die Verfechter dieser Meinung stützen sich darauf, daß bei der Landvermessung volkstümliche Flur- und Wegenamen in hochdeutsche Schreibweise gebracht bzw. verballhornt wurden, d.h. die wahre Herkunft des Namens vom First (Bergrücken) sei durch die Kartographen in Fürst verfälscht worden.
Sicher gibt es Beispiele dieser Art bzw. durch Modifizierung des Dialektes entstellende Ausdrücke u.a. mehr. Doch mehr als diese angenommene Hypothese haben die Verfechter dieser Ansicht nicht.
3) Zur Begründung dieser Ansicht müßten zwei Bedingungen gegeben sein:
a) Das Wort "First" müßte in der früheren oder auch noch heutigen Umgangssprache der Bewohner unseres Kreises oder auch anderen Gebiete im Erzgebirge vollwärtig für Höhe, Bergrücken, Kamm, Hübel, Berg, Knochen und andere für geographische Erhebungen zutreffende Bezeichnungen
gebraucht werden. Dem war und ist nicht so. Die keineswegs schroffen Höhenzüge unseres Gebietes haben noch nie zu der Redewendung geführt: " Ich gehe über den First!" usw., sondern es wurden die vorgenannten Bezeichnungen gebraucht.
b) Um die Annahme der Verballhornung dieser Bezeichnung zu beweisen, müßte m. E. das zur Zeit einschlägige Wörterbuch den Beweis liefern. Als
derzeitig umfangreiches habe ich das "Deutsche Wörterbuch" der Gebrüder Grimm, herausgegeben von der Deutsch Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Ausgabe 1962, herangezogen, das alle im früheren oder gegenwärtigen deutschen Sprachgebrauch vorkommenden Worte einschließlich ihrer Abwandlungen und Verballhornungen darstellt. Im Band III auf Seite 1678 ist unter First zu verstehen: der Giebel des Daches, die Zinne des Hauses, die oberste Dachkante, oder auch im bergmännischen Sprachgebrauch "die Firste des Stollens".
Ein "Firstenweg" als gebräuchliches Wort im Gebiet der Verbreitung der deutschen Sprache ist nicht vorhanden.
Dem gegenüber ist im Band IV auf Seite 886 über "Fürstenweg" folgendes zu lesen: "Den Weg, den eine Fürstin oder ein Fürst zu gehen, zu reiten oder zu fahren hat; Nach Jean Paul: Im besonderen ein bloß durch und für den Landesfürsten zum Behufe der Jagden und dergl. unterhaltener und besonders da, wo es über Privatgründe geht, für jeden anderen gesperrter Weg".
Diese Definition trifft auf diesen Weg in jeder Weise zu. Eine Quelle zur Untermauerung dieser Theorie ist u.a. die Broschüre "Der Bezirk Annaberg im Lichte der Kartografie des 16. und beginnenden 17. Jahrhunderts und dazugehörige Akten" von Dr. Otto Birke aus dem Jahre 1913, das im Original im Erzgebirgsmuseum und bei Herrn Lehrer Schlot in Annaberg noch verbanden ist.
Wenn man beim Studium dieser Arbeit sie ihrer für die damalige Zeit übliche fürstendienerische Verbrämung entkleidet, so bleibt immerhin ein sehr beachtlicher wissenschaftlicher Kern, der auch für unsere Gegenwart von kulturhistorischem Wert (nicht nur in der Frage der umstrittenen Wegebezeichnung) ist. Im Rahmen dieses Berichtes würde es zu weit führen, wollte ich alle die Fakten bzw. Quellen anführen, die sich in dieser Arbeit finden.
Kurz zusammengefasst läßt sich folgendes nachweisen: Die um 1600 von unserem Gebiet gezeichneten Karten tragen die Bezeichnung "Fürstenweg" von Unterwiesenthal bis Neudorf. Im Gebiete des Amtes Crottendorf befanden sich allein 35 kurfürstliche Jagdgebiete - sogn. Stallungen - mit dazugehörigen Privilegien. Eine beträchtliche Zahl dieser kurfürstlichen Gebiete lag unmittelbar an diesem Weg bzw. war vom ihm aus erreichbar.
Dieser Tatsache wird auch in der Schlettauer Chronik des Forschers "Thomas" mit folgenden Worten erklärt:
"Als 1536 das Kloster Grünhain säkularisiert wurde, kam Schlepptau, zum Kloster gehörig, in den Besitz der Wettiner (Kurfürsten). Sie errichteten im Schloß eine Oberforst- und Wildmeisterei ein."
Die fürstlichen Oberforstmeister haben die Jagdliebenden Fürsten oft zu Gast gehabt. Die Jagdgesellschaft zog durch die kleine "Sehma" hinauf auf den gewohnten Jagdweg. Da auf diesem Weg die fürstlichen Jagdgesellschaften immer in die Wälder ritten, hieß es beim Volk "Fürstenweg".
Damit ist der ethymologische Zusammenhang mit der Definition im "Deutschen Wörterbuch" hergestellt.
Die obige Broschüre als Quelle genannter Karten und Akten liegen im Staatsarchiv Dresden, insbesondere die Bände 46, 50 und 51 der Forstbücher
von 1572, die bei exaktem Studium noch weitere Aufschlüsse über diese Frage geben könnten, weil in ihnen das gesamte damals bestehende Wegenetz beschrieben ist.
Eine Abweichung vom üblichen Verlauf des Fürstenweges zeigt die Oberreit'sche Karte: Dort ist der Verlauf des Weges vom Bergrücken zwischen Sehma und
Waltersdorf durch letztere Flur in Richtung Ortsgrenze Waltersdorf/Crottendorf, wo das kurfürstliche Fischerhaus (das heutige Gasthaus "Zum Fischhaus")
stand.
Diese wenigen Hinweise zeigen eindeutig, daß die Wegebezeichnung "Fürstenweg" von den damals herrschenden feudalen Privilegien abgeleitet
wurde.
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